…November. Denn während diese Zeilen
entstehen ist es noch Mai, der in diesem Jahr November heisst, und
der grau überzogene hanseatische Himmel entlädt Fluten und Fluten
von Regentropfen über einem Erdreich, das schon längst kein Wasser
mehr aufnehmen kann. Es ist nicht Monsun, dafür ist es zu kalt, und
statt eines erfrischenden Sommergewitters legt sich Melancholie über
die Stadt.
Passend zu dieser Unjahreszeit
veröffentlichte das grossartige Anticon.-Imprint mit Baths'
„Obsidian“ jüngst das erste echte Herbstalbum des Jahres, das
Downbeat / Backpacker HipHop, intimes IndieFolk-Feeling,
Falsetto-Gesang sowie elegische Streicher und verschwebte
Hintergrund-Chöre in Perfektion zusammenführt, um daraus einen
höchst angenehmen Soundtrack für Kuscheldeckenabende vor dem
heimischen Kaminfeuer zu formen. Selbst clubbigere Tracks wie „Miasma
Sky“ mit seinem heimeligen Regentropfensampleintro brechen aus der
herrschenden Intimität kaum nennenswert aus und so ergeben die zehn
auf „Obsidian“ versammelten Songs in ihrer kompletten Lauflänge
ein harmonisch rundes Gesamtpaket für die Plattensammlung eines der
Melancholie durchaus zugetanen Menschen.
Grau und hoffnungslos, jedoch
energiegeladener ist auch die Welt des Projektes N.R.F.B. a.k.a.
Nuclear Raped Fuck Bomb um die beiden Masterminds Mense Reents und
Jens Rachut, das mit „Trüffelbürste“ dieser Tage sein Zweitwerk
in Albumform auf Major Label vorlegt. Weniger krawallig als auf ihrem
Debut ist der ursprüngliche nukleare ElectroPunk ist einer gefühlten
PostIndie-Attitüde gewichen, die der Resignation vor dem Alltag mit
Ironie und unterschwellig versteckter Bösartigkeit in den Lyrics
begegnet. Ein Song wie „Hälfte Des Gehirns“ erinnert zeitweilig
an die Genialen Dilettanten des 80er Jahre Berlin während „Zoo Im
Krieg“ auf wunderbare Weise fast krautrockig zu nennende
Flächenelegien mit marschierenden 4/4-Drums und hypnotisch loopenden
Gitarren fusioniert und so auch der (Neo)Cosmic-Posse zur Genüge
gereicht. „Kollegenschwein“ hingegen kommt dem katalysiertem
Wahnsinn ebenso gleich wie der überdrehte Easy Listening-Aspekt von
„Der Ziegentreiber“ und dem etwas abstrakten „Fotoapparat“.
Ein Album für die speziellen Momente des Lebens.
Doch hinter all dieser Trübnis wartet
auch ein Silberstreif am Horizont – diesmal in Form des von Martin
Scheer betriebenen und jüngst aus der Taufe gehobenen Berliner
Labels Antime, welches dieser Tage seinen ersten 12“ Tonträger
unter dem Namen „Antime V2“ in die Welt entlässt. Verortet
zwischen verträumten DeepHouse-Elegien, Electronica- /
(Neo)Cosmic-Referenzen und der dieser Tage obligatorischen Verneigung
vor Future Garage kommen die sechs Tracks der Vinylversion von
Abigail, Sebastian Dali, Owlet, Andreas Buchner, Midimum und dem von
Audiolith's Stiff Little Spinner-Serie schon hinreichend bekannten
Kalipo. Vor allem die epischen Breakdowns des Midimum-Openers „Junk
Beach“ und die melancholiebehaftet angejazzten House-Pianos von
Sebastian Dali's „Lady Marian“ gehören dieser Tage in jede
gutsortierte Plattenkiste. Gelungener Start in eine leuchtende
Zukunft.
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 07/2013