Sträflich vernachlässigt wurde in der
letzten Ausgabe unter anderem die erste Vinylveröffentlichung der
Illbient-Spezialistin Giulia Loli a.k.a. Mutamassik seit 2004, die
sich jetzt mit ihrem auf 250 Exemplare limitierten Allbum „Rekkez“
auf dem belgischen Label ini.tu endgültig zurückmeldet, nachdem es
abgesehen von zwei digitalen Veröffentlichungen auf RunRiot Records
und Sa’aidi Hardcore Productions in 2009 und 2010 lange Zeit recht
still um sie geworden war. Musikalisch geht es natürlich noch immer
um Illbient und düster-experimentellen InstrumentalHop mit oft
orientalischen Einschlägen, eingehüllt in musikalische Opiumwolken
und fiebrige Stimmungen, die ihre visuelle Entsprechung im
beigelegten Poster finden. Gut, das.
Ebenfalls aus Belgien kommt das Label
Sub Rosa, dessen jüngster Streich das Re-Release des ursprünglich
in typischer Industrialmanier auf C20-Cassette in Eigenregie
veröffentlichten Etat Brut-Albums „Mutations Et Protheses“ aus
dem Jahre 1981 ist. Zum ersten Mal überhaupt auf Vinyl erhältlich
spiegelt das Material die frühe Phase der von 1979 – 1984 aktiven
Industrial- / Noise-Pioniere wieder, die hier eindrucksvoll Echos und
Verzerrer mit teils prägnantem, fast funky zu nennenden Bassspiel
kombinieren und so die These von Industrial als totaler Antimusik
konterkarieren; auch wenn der Lärm- / Abstraktionsfaktor hier
natürlich enorm bleibt.
Um Längen zugänglicher, wenn nicht im
direkten Vergleich sogar niedlich, kommt dagegen das Global
Goon-Album „Plastic Orchestra“ auf dem Label 030303 daher. Elf
auf Doppelvinyl verteilte Tracks interpretieren den Genrebegriff
Electronica hier auf äußerst freundliche Weise und scheinen
zumindest einen Teil ihrer Soundquellen tatsächlich aus Plastik-
und/oder Kinderinstrumenten zu beziehen, während der andere Teil von
alten Analogsynthies genährt scheint. Ein Album, bei dem mensch
schnell das Gefühl bekommt, von der Musik geradezu umarmt zu werden.
Sehr seltenes Phänomen dieser Tage und am liebsten würde ich jetzt
sofort in einem Stück wie „Morphon Diezepad“ versinken, das
gerade angenehm weich und anschmiegsam durch meine Boxen wabert.
Toll.
Schlussendlich wird es an dieser Stelle
sogar ausnahmsweise richtig tanzbar, verdient doch die Tatsache
unbedingte Erwähnung, das Parris Mitchell’s 1994er Dance
Mania-Album „Life In The Underground“ jüngst als Katalognummmer
001 des noch frischen Ghetto House Classics-Labels
wiederveröffentlicht wurde - angeblich offiziell authorisiert durch
Mr. Mitchell persönlich und neu gemastert vom Original-DAT.
Furztrockener Chicago-Shit, natürlich mit den bei Dance Mania
üblichen Ecken und Kanten, die für die jüngere Generation oft
nicht mehr nachzuvollziehen sind, aber von roher Energie und
Aufbruchstimmung zeugen. Gibt’s so heute nicht mehr. Schade auch.
Ist nämlich geil. Und Tracks wie „Work It (Re-Mix)“ oder
„Ghetto Booty“ sind der Juke von vor verdammten 18 Jahren. Schon
deshalb: kaufen.
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 01/2013