... EDM. Auch wenn ich diesen Begriff
zugegebenermaßen in den Früh- und Mitt-2000ern in Anlehnung an das
weit verbreitete Akronym IDM („Intelligent Dance Music“; kleine
historische Auslassung für die spätgeborenen Leser unter uns: die
IDM-Mailinglist existiert seit 1993 im Internet und wurde
ursprünglich ins Leben gerufen, um die Veröffentlichungen des
Rephlex-Labels online zu diskutieren.) oft benutzt habe, um den
musikalischen Ansatz meines eigenen Labels Intrauterin Recordings zu
skizzieren: das Veröffentlichen tanzbarer, elektronischer Musik
unabhängig von Genregrenzen und stilistischen Einschränkungen.
Dabei hatte ich jedoch anderes im Sinn als die Deadmau5s und Guettas
dieser Welt – Vielfalt. Kreativität. Unabhängkeit.
Mit diesen Stichworten ist auch der
Output des legendären, in Manchester beheimateten Labels Factory
Records grob und passend beschrieben, der dieser Tage via Strut
Records zu neuem Leben erwacht. „FAC.DANCE 02“ versammelt 24
längst verschollene Perlen aus dem Backkatalog der Jahre 1980-1987
auf Doppel-CD , unter anderem die großartigen Quando Quando, A
Certain Ration mit „Lucinda“, Sir Horatio’s nebelgrauen
„Sommadub“ und natürlich Fadela’s „N’sel Fik“, dessen
Introsequenz die gesampelte Grundlage von Lennie De Ice’s 1991er
Breakbeat-Klassiker „We Are i.e.“ darstellt. Mehr
Geschichtsstunde auf einmal geht kaum und schon deswegen sei
„FAC.DANCE 02“ an dieser Stelle schwer empfohlen.
In ähnlicher Tradition steht auch die
Debutveröffentlichung der obskuren Band Die Else Girls, jüngst
erschienen als 7“ in einer Auflage von 300 Exemplaren via iRRland.
Während die A-Seite mit der Originalversion zwischen Artschool,
Dada, NDW und (No)Wave mäandert liefert Flavio Diners auf der
Flipside filternden DiscoDeepHouse jenseits des derzeit üblichen
Tempolimits und liefert dabei Anknüpfungspunkte zu Labels wie dem
längst vergangenen Ladomat 2000, aber auch zum Ware-typischen
Pop-Aspekt der Schaffhäuser’schen Prägung. Spannend und meines
Wissens nach nicht über die regulären Vertriebskanäle zu beziehen.
Weiter geht es mit den Trentemöller &
Visionquest Remixen für den David Lynch Song „Pinky’s Dream“,
im Original zu finden auf dem Album „Crazy Clown Time“ und einer
der zugänglichsten Songs auf dem Langspieler. Während Trentemöller
mit seiner Neubearbeitung den Weg des dunklen ElectroWave wählt und
der sehnsüchtigen Stimme von Karen O ein düster-treibendes Korsett
schnürt, beschreiten Visionquest dunkle KrautDisco-Pfade im Sinne
der letzten DC Recordings-Veröffentlichungen und schicken die
Tanzfläche zu später Stunde auf einen spacig-kosmischen Trip. Sehr
schöne 12“, aber trotz CutOut-Cover und gefühltem 180Gramm-Vinyl
mit einem Ladenpreis von fast 14 Euro eigentlich zu teuer.
Gleiches gilt im Übrigen für die
„Permissions Of Love“ 3-Track EP der wunderbaren Tropic Of
Cancer, die im Laden mit ungefähr 18 Euro zu Buche schlägt. Dabei
ist diese Platte mit einer Auflage von 500 Exemplaren plus
zusätzlicher Nachpressung von 300 Stück in weißem Vinyl nicht
einmal sonderlich limitiert und legt so den Verdacht nahe, das hier
tatsächlich die Profitgier langsam durchschlägt. Auch wenn der
stoisch dronige Wave-Ansatz mit Shoegaze-Attitude für Fans des
Genres eine echte Offenbarung ist, lässt sich ein Preis wie dieser
nur noch schwerlich rechtfertigen.
Nach einem durchaus fälligen Anstieg
der Vinylpreise in den letzten 24 Monaten ist jetzt langsam ein Punkt
gekommen an dem das Ende der Fahnenstange erreicht scheint und die
Branche Gefahr läuft, dem noch von Vielen geschätzten Medium durch
Drehen an der Preisspirale den Garaus zu machen. Das gilt es zu
verhindern, oder?
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 11/2012
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