...money - „...nicht, weil Geld
glücklich macht sondern alles einfach, an jedem neuen Scheißtag an
dem Du keins hast...“ um an dieser Stelle noch einmal Ferris MC’s
Klassiker „Im Zeichen Des Freaks“ zu zitieren, sondern weil es
dieser Tage immer mehr Platten gibt, bei denen sich die Labels und
Produzenten um einen gewissen Mehrwert bemühen. Sei es in Form eines
exquisiten Artworks oder spezieller Beilagen, besonderer
Veröffentlichungsformen oder ähnlichem – vom Sammler geschätzt
aber manchmal auch vom Normalkonsumenten verflucht, weil sich dieses
Extra-Bit auch immer wieder im Verkaufspreis niederschlägt. Aber
Geld muss im Umlauf bleiben, auch in Zeiten der Krise und deshalb:
immer raus damit.
Zum Beispiel für die neue
Veröffentlichung des hier schon vor Monaten erwähnten Labels Shhhh
Records, die mit der „Odenwald EP“ von Ghosts In Disguise
alle Freunde des tendenziell nett-verträumten MinimalHouse pleasen,
dabei niemandem wehtun und auf der beigelegten 6-Track Bonus-CD noch
einmal drei Non-Vinyl-Mixes on top servieren. Mit im Remix-Boot unter
anderem Robert Edwin a.k.a. Robert Feuchtl a.k.a. Bob Humid, Matthias
Schaffhäuser und Labelhead Turgut Kocer a.k.a. Bluff.
An dieser Stelle kürzlich schon einmal
erwähnt schlägt auch das aktuelle – und darüber hinaus
grossartige – Album „Clay Class“ der PostPunk/Indie-Formation
Prinzhorn Dance School in die Kerbe der als durchaus „pricey“
einzuordnenden Veröffentlichungen dieser Tage und bei allem Support
und gutem Willen stellt sich hier die Frage, wie denn ein
Ladenverkaufspreis von 30+ € für eine einfache LP mit elf Tracks
zu rechtfertigen ist? Liebe Menschen von DFA / Cooperative Music das
ist eine grobe Frechheit und da hilft auch die mittlerweile Standard
gewordene CD-Beilage nicht viel, denn wenn der HAB
(Händlerabgabepreis) schon fast den Ladenpreis eines normalen Albums
erreicht, ist es klar, das die Verkaufs- und vor allem Preorderzahlen
in den Keller rutschen, keiner das Werk wahrnimmt und entsprechend,
wie in Hamburg gesehen, auch die Konzerttour nicht läuft. So
verbrennt mensch Potential und das haben Prinzhorn Dance School
wahrlich nicht verdient.
Neues gibt es auch aus dem Hamburger
Hause HFN Music zu vermelden, denn auch wenn sich das angekündigte
Album der verrückt gewordenen Reptile Youth in Richtung Frühherbst
verschiebt gibt es jetzt erstmal die neue Single „Black Swan Born
White“ in zwei Varianten. Die Indie-Fraktion wird auf 7“ mit dem
ohrwurmzüchtenden Original und einem leicht treibenderen Remix der
Londoner No Wave-Band S.C.U.M. bedient, während sich die
elektronisch-affinenen Tänzer auf 12“ Clubversionen von Terranova
und Mark E freuen dürfen. Doch Remixe hin oder her – das Original
ist ungeschlagen und daher von meiner Seite aus nicht nur des
Formates wegen der Erwerb der 7“-Single schwerstens empfohlen.
Ebenfalls spannend und gleich in
mehreren Teilen besorgt es unser aller Lieblingsisländerin Björk
Gudmundsdottir der vinylkaufenden Zunft mit der jüngst
veröffentlichten 12“ Remix-Serie zu ihrem aktuellen Album
„Biophilia“, aus der vor allem Teil 1 mit brutalstmöglich
komprimierten Drum- / Dubstep-Remixen von „Crystalline“ und
„Solstice“ hervorsticht. Beide hochverdichtet und auf technische
Effizienz getrimmt vom Berliner Produzenten Current Value, dessen
extrem präzise Soundästhetik schon seit dem Beginn seiner Karriere
ihresgleichen sucht. Heftig.
Freunde gepflegt-mystischer Bassmusik
hingegen erfreuen sich dieser Tage am neuen und in vielfachen
Varianten erhältlichen Werk des MythStep-Gottvaters Sam Shackleton –
„Music For The Quiet Hours / The Drawbar Organ EPs“ auf seinem
Label Woe To The Septic Heart! Erschien jüngst als limitierte 3x12“
+ CD Box, wahlweise auch als Doppel-CD Box oder jeweils separiert in
3 einzelne Maxis und CD-Album. Viel Auswahl für den passionierten
Sammler und auch musikalisch natürlich wieder ganz weit vorne,
spielt Shackleton mit seinen tribalistischen, schwer rituellen
Soundentwürfen schon seit Anbeginn seiner Produzentenkarriere in
einer ganz eigenen unerreichten Liga. Must have.
Jene Bassmusik haben scheinbar auch
meine Freunde aus der Frittenbude zumindest im Ansatz ordentlich
inhaliert, denn auf deren aktuellem Album „Delfinarium“ finden
sich neben den üblichen Partybangern und Ausflügen in die komplexe
Intimität der Melancholie auch Einflüsse von Drum’n’Bass und
Dubstep. Die Vinylausgabe gibt’s im schicken Gatefold-Cover als
Doppel-LP und mit 50/50-Chance auf eine farbige Pressung. Das
erwachsenste Album der Band bisher und der Einstieg auf Platz 14 der
Albumcharts wohl verdient. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle
noch einmal – sowohl an die Band als auch an die Partystrategen aus
dem Audiolith-Büro.
Ebenfalls in die Kategorie „must
have“ einzuordnen, wenngleich auch wesentlich schwieriger zu
erwerben und daher „a record to hunt down“ für die Fraktion der
Jäger und Sammler unter uns ist das selbstveröffentlichte
Doppelalbum „Pieces Of Conversation“ des kryptisch benannten
Projektes [aniYo kore] mit der Matrizennummer BOBHARRIS001 und der
klaren Mission melancholisch vokal-orientierten TripHop unter
Zuhilfenahme von reduzierten Beatstrukturen, leicht verstimmten
PostRock-Gitarren, diversen Sample- / FieldRecording-Spielereien und
dem Echo von Illbient zu retten. Ziel erreicht, auf Platte zumindest,
die der versierte Sammler am ehesten wohl auf einer der diversen
[aniYo kore] Live-Shows in die hoffentlich fettfreien Finger bekommt.
Gut, das.
Eine weitere liebevoll aufgemachte
Entdeckung, die ich den regelmässigen Besuchen der Hamburger
Lokalität Meine Kleinraumdisko verdanke, ist die schon in 2011 auf
Light In The Attic Records erschienene Gatefold-Doppel-LP „Beautiful
Rivers And Mountains: The Psychedelic Rock Sound Of South Korea’s
Shin Joong Hyun 1958 – 1974“, die nicht nur mit ausführlichen
Linernotes und beigelegtem Interview die Geschichte eines
aussergewöhnlichen Komponisten, Musikers und Produzenten
nachzeichnet sondern zudem das Ohr neu für eben Psychedelic Rock,
hippie’esk verschwebte Blues-Variationen und zuweilen auch nach
Easy Listening oder Novelty klingende Songs neu öffnet, zumal diese
mit koreanischen Texten eine ganz eigene ungewöhnliche und exotische
Spannung entwickeln. Zwar komplett unelektronisch, hat aber einen
Platz in jeder gutsortierten Plattensammlung verdient.
Die jedoch aufwendigste Albumverpackung
des Monats und den abgeschossenen Vogel für Hyperlimitierung liefert
– wen wundert das jetzt ? – natürlich wieder Sascha Müller, der
sein Album „Error 404“ als 3“ DVDr mit 14 .wav-files
veröffentlicht und statt in ein Minicover zu stecken lieber gleich
in einem ausgemusterten Laufwerk stossfest verschraubt. Echte
Handarbeit, Vollmetall und in einer DIY-Auflage von 9 Exemplaren
weltweit erschienen. Sammlerstück für Freunde von Clicks’n’Cuts,
Experimental Ambient und elektronischer Deep Listening Music
jeglicher Couleur – die Suche danach lohnt. Sehr.
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 07/2012