Donnerstag, 1. Oktober 2020

THERE'S MORE TO LIFE THAN...

…Monochromatismus. Wer den Verfasser dieser Kolumne kennt, wird ihn aufgrund seiner selten gebrochenen Vorliebe für vorwiegend schwarze bis maximal dunkelgraue Kleidung umgehend Lügen strafen. Doch weil dieser Tage ein Herbst Einzug hält in die Strassen dieses Landes und den Blätterwald der Alleen in ein Potpourri der Farben verwandelt geht es auch in dieser Kolumne zumindest stilistisch ein wenig bunter zu.

Angefangen mit der jüngst auf Poker Flat Recordings erschienenen „Lectures E.P.“ des jungen Niederländers Wouter De Moor, dem es nicht nur gelingt das erste Interview-Acapella überhaupt auf einer 12“ des Labels unterzubringen, sondern der auch die Worte des interviewten Theo Parrish in nahezu perfekter Wildpitch-Emulation im titelgebenden Track umsetzt. Geremixt wird dieser auf der Flipside von Kirk Degiorgio während Wouter De Moor auf A2 mit seinem ebenfalls grossartigen Oldskool-Cut „8 Voices“ noch einmal ein fettes Original mit rohen Claps und scharfen Hi-Hats nachlegt. So geht House.

Komplett gitarrenlastig geht es weiter mit der achten Veröffentlichung der Major Label-Schwester SuperKamiokandeDetektor, auf der mit „Jetzt Ist Es Kaputt“ eine überaus bezaubernde EP der Formation Goldner Anker erscheint. Wie gewohnt verortet zwischen unpoppigem Melodiengebrauch, rauher IndiePunk-Credibility und fragil rauchiger Frauenstimme liefern Goldner Anker hier drei kleine, aber feine Hits im Original – allen voran das antikonsumistische „Ticket“ - und lassen darüber hinaus den auf ihrem 2012 Debutalbum erschienen Song „Only You“ von Jkube durch den PostJungle vs. Dubstep-affinen Remixwolf drehen ohne das dabei das Original der vollkommenen Fragmentierung anheimfällt. Mission erfüllt.

Anderweitig organisch präsentiert sich die vierköpfige Dark resp. Future Jazz-Formation Falling, die mit dem aufwendig gestalteten „Original Motion Picture Soundtrack“ dieser Tage ihr auf 100 Exemplare limitiertes Debutalbum auf dem in Mettmann beheimateten Label Shhhh Records vorlegt. Im weitesten Sinne verortet zwischen Bugge Wesseltoft's New Conceptions Of Jazz-Ästhetik und den Future Jazz-Variationen des klassischen, ehemals in Wien beheimateten Showroom Recordings-Projektes emulieren Turgut Kocer, Helge Neuhaus, Gabriel Masterson und Frederik Groborsch hier einen waschechten Improv-Ansatz, ohne sich je zusammen in dieser Konstellation an einem realen Ort befunden zu haben. Die Welt des schnellen Datenverkehrs macht es möglich und schenkt uns mit „Original Motion Picture Soundtrack“ einen entschleunigten Score für vernebelte Herbstabende mit ernsthaften Drinks. Im Falle des Verfasser dürfte die Wahl des letztgenannten hier zweifelsohne auf einen Maple Old Fashioned fallen.

Zurück auf dem Dancefloor befinden wir uns final mit der „Guy Martin EP“ des Max.Ernst-Gründers und Studio-Veteranen Thomas Brinkmann a.k.a. Brinkmann in allerbester Gesellschaft. Verortet zwischen tiefenhypnotischem ClubTechno mit spannungsgeladener Crimescene-Atmosphäre und jazzigen Ambitionen, Metal'esquen Schrammelbässen auf Viererfußbasis und an FutureJazz orientierten Downtempo-Exkursionen liefert das Third Ear-Label mit dieser 12“ nicht nur drei qualitativ hochwertige Tracks sondern denkt mit dieser Zusammenstellung auch über gewohnte Genre- und Schubladengrenzen hinaus und macht damit deutlich, daß es letztendlich doch nur um eines geht: die Musik.


Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 11/2013

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