…der Trend zum Digitalen. Denn auch
wenn Spotify und sogar Youtube mittlerweile nicht nur auf
Konsumentenseite immer mehr als ernstzunehmende Quelle für den
täglichen Musikkonsum gelten und selbst Bruchteile von
Minimalsthartgeldbeträgen labelseitig als mögliche Einnahme
verbucht werden, kann auch das hochaufgelösteste .mp3-, .wav-, .ogg,
.flac oder .whatever-File bestimmte Effekte der analogen Welt nicht
ersetzen. Zum Glück.
So lässt sich beispielweise weder das
der neuesten Veröffentlichung des österreichischen Labels Hirntrust
Grind Media beiliegende (und natürlich ans Cover angelehnte)
Aufnäh-Patch noch der ebenfalls in der Hülle befindliche
ArtCard-Druck in seiner Stofflichkeit digitaliseren und auch die
gefühlte Underground-Zuordnung einer pechschwarz belabelten 7“ mit
grossem Innenloch ist nicht in Datenraten zu messen. Musikalisch
liefern die Protagonisten dieser Splitsingle natürlich dem Label
gerecht werdende Kaputtheit der allerersten Kategorie – Kenny
Sanderson a.k.a. Facial Mess erforscht mit „No Intrinsic Value“
fies industriell verzerrte Varianten von mutiertem Grindstep während
J. Randall als Sealteam 666 ein wahres Feuerwerk aus Noize,
verzerrten Gitarren und flaksalvengleichen Breakcore- / Rhythm
Industrial-Strukturen auf den freudig lächelnden Rezensenten
abschiesst. Für mehr sonische Gewalt im Club!
Ein weiteres nicht zu unterschätzendes
Erlebnis vorwiegend analoger Freude ohne Vorwarnung stellte das
Eintreffen des mysteriösen Tape-Triplets „Virgin“ / „Seams /
„Dierows“ aus der vermutlichen Feder von Christine Nogociella
dar. Versehen mit einer Warnung des „Department Of Defense /
Defense Investigative Service“ und ohne Absender- oder Labelangabe
wird hier über gefühlte drei Stunden hinweg mit langsam flutenden
Ambient-/Drone-Exkursionen, vermutlich illegal abgehörtem
Radioverkehr und befremdlich weltraumkalten Klangpassagen die
Zeitmatrix völlig ausser Kraft gesetzt und der geneigte Konsument
schon nach wenigen Augenblicken in eine dunkle, vollkommen
fremdartige Welt versetzt, in der sich Melancholie, Trauer und das
Gefühl totaler Einsamkeit Auge in Auge gegenüberstehen. Verbreitete
mensch diese Tapes als Dauerschleife über die grossen Radiokanäle
dieses Planeten, wäre die Welt vermutlich binnen Tagen in Chaos,
Lähmung und Vernichtung a la „Krieg Der Welten“ gestürzt.
Ebenfalls vollanalog und auf nur 50
handnummerierte Exemplare limitiert ist eine – und seit langen
Jahren die erste – frisch erschienene 12“ auf dem längst
verloren geglaubten Kultlabel XXC3, das mit dem „Telepathic
Bubblevinyl Vol. 1“ seine mehr als berechtigte Auferstehung feiert.
Vier Tracks aus dem Umfeld des von Dr. Walker begründeten Liquid Sky
Berlin zwischen sexy Groove und einer der unmittelbaren Herkunft
geschuldeten Deepness, die sich über die Laufzeit der Einzeltracks
in einen hypnotisch-verspulten Trip verwandelt. Gerüchten zu Folge
ist auch Dr. Walker selbst mit einem Track vertreten, während die
anderen Produzenten dank vollkommener Informationsarmut dieser EP im
verschwommenen Dunkel verborgen bleiben – ebenso wie die
Bezugskanäle, denn der Zugang zum Besitz der „Telepathic
Bubblevinyl Vol.1“ wird nur dem gewährt, der sich noch
altgedienter Wege und Strukturen zu bedienen weiss. Im stationären
Tonträgerhandel ist dieser Tonträger ebenso wenig erhältlich wie
bei den üblichen Verdächtigen des Internet. Wer suchet, der findet
und analog ist besser.
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 09/2013
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