…Techno. Denn nach mehr als zwanzig
Jahren der elektronischen Tanzmusik auf der Basis des
allgegenwärtigen Viererfuß ist es zumindest in diesem Monat einmal
an der Zeit, sich im Rahmen dieser Kolumne ausschliesslich und
exklusiv der experimentellen Seite der nicht immer nur elektronischen
Musik zu widmen.
Angefangen an dieser Stelle mit den
Electronica-affinen Dubexkursionen eines Herrn namens Matthias
Springer, der unter dem nicht ganz flüssig zu sprechenden Alias
Aksutique dieser Tage seine „Notch Field E.P.“ auf Diametric
vorlegt. Limitiert auf 300 handnummerierte 12“es vereint er unter
diesem Namen drei Tracks gelagert zwischen dem Pole-Gefühl der
ersten drei Alben, der stoischen, ambientösen Ruhe früher
Senking-Veröffentlichungen, weichgezeichneten Hallfahnen und einer
raumgreifenden, dreidimensionalen Tiefe, die das Verstreichen von
Zeit anhand sich nur minimal verschiebender Klangsignaturen förmlich
greifbar macht, ähnlich wie hochauflösende Deep Space
Field-Photographie ein Gefühl für den immerwährenden
Schaffensprozess innerhalb unseres Kosmos vermittelt. Durchaus
wichtig und eine echte Bereicherung für jede gepflegte
Vinylsammlung, nicht nur wegen des auf B2 versteckten Arne Weinberg
Remix unter seinem Tarnnamen Valanx.
Ebenfalls deep und experimentell geht
es auf dem in Griechenland beheimateten Label Inner Ear Records zu,
welches sich dieser Tage mit Mechanimal's selbstbetitelten Debutalbum
dem elektrosynthetischen Shoegaze widmet und sowohl campfire'esque
Intimität als auch Suicide-angelehnte Distorsionsequenzen mit von
tiefer Melancholie geprägtem Sprechgesang kombiniert. Auf diese
Weise entsteht eine Klangwelt, die von staubigen Autobahnen in
heruntergerockten Industriegebieten kündet, von harter Arbeit und
den damit verbundenen Erfahrungen, vom Blues der Straße und von
ölverschmierten Overalls. In dieser Gesamtheit sehr zu empfehlen
zumal auch Depeche Mode mit ihrem jüngsten Album „Delta Machine“
eine nicht weit entfernte Ästethetik bedienen.
Gesang der ganz anderen Art liefert die
noch junge, aber doch sehr talentierte Lisa Morgenstern, die nicht
nur wirklich so heisst, sondern sich auch als eine der wenigen ihrer
Generation an so selten gehörte Genres wie Theatrical Chanson und
Dark Sonnet wagt und damit nicht nur auf der Bühne schwer zu
beeindrucken weiss. Im Rahmen des WGT erschienen jüngst drei ihrer
Werke als Beigabe zu Thomas Manegolds' limitierter Buch-EP
„Vorgespräche Mit Goth“ in der Edition Subkultur. Mit ihren
tiefgehenden, weitgehend Piano-getragenen Interpretationen ihrer
Songs „Kannibalische Gourmet“, „Eskalation“ und „Lieber
Tod“ zaubert Frau Morgenstern grosse Bilder auf die leere Leinwand
des Kopfkinos und schafft dabei weit mehr Dramatik und Emotion als
manch zu Unrecht geförderter Dramatik-Neuzugang der deutschen
Theaterlandschaft. Diesen Gedanken konsequent zu Ende gedacht ersetzt
das melancholisch-bittere „Lieber Tod“ mit seinen 329 Sekunden
Laufzeit komplette Operetten und Musicals in Gänze und ist damit
wohl die intensivste Veröffentlichung des laufenden Jahres. Wichtig.
Gastkolumne für Fazemag, Ausgabe 08/2013
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